Notfallversorgung

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Fachausschuss 3 >>>

Notfallversorgung in der Krise?

von
Dr. med. Ingrid Seyfarth-Metzger

In den letzten Monaten kam es in München bei der Versorgung von Notfallpatienten zu drastischen Versorgungsengpässen – meist wegen Personalmangels. Alle waren überlastet: Hausarztpraxen, Kinderärzte, Rettungsdienste, Bereitschaftsdienste, Notaufnahmen.

Eine Studie des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM) der Universität München zeigt einen Anstieg dieser „Akutbelegungen“ im Zeitraum 2015 bis 2019 um das Vierfache. Schon 2019 betrug der Anteil der Akutbelegungen an allen Zuweisungen 17 Prozent!

Es dauert immer länger, bis Hilfe eintrifft

Laut dieser Notfallstudie dauert es bei Notfällen im- mer länger, bis der Notarzt oder die Notärztin an- kommt: Die Zeit vom Meldungseingang des Notrufs in der Leitstelle bis zur Ankunft des Rettungsmittels am Zielort ist von 48 Minuten im Jahr 2015 auf 57 Minuten in 2021 gestiegen! Dies kann zu negativen Auswirkungen für die Patient*innen führen.

Die Notfallstudie kommt zu dem Ergebnis, dass Engpässe seit 2015 in wichtigen Fachbereichen zugenommen haben. Insbesondere trifft dies auf Intensivstationen der Inneren Medizin und der Neurologie zu.

Die Folgen sind: Gefährdung der Patienten und Überlastung des Personals

Seniorinnen und Senioren sind davon besonders stark betroffen, da sie viel häufiger notfallmäßig erkranken als alle anderen Altersgruppen.

Seit Einführung der Fallpauschalen, 2005, wurde die Versorgung auf allen Ebenen immer weniger am Bedarf der Bevölkerung ausgerichtet, sondern vorrangig an den Finanzen.

Weder von der Bundesregierung, von der bayerischen Landesregierung noch von der Stadt München wurde für eine bedarfsgerechte Krankenhausplanung gesorgt. Zuständig dafür wäre vorrangig die bayerische Landesregierung. Gegen den Personalmangel, vor allem in der Pflege, wurde wenig unternommen, obwohl immer mehr Pflegekräfte ihren Beruf aufgeben.

Das derzeitige DRG-Finanzierungssystem (DRG= Diagnosis Related Groups) der Kliniken hat seit 2004 zu einer völligen Unterfinanzierung der Pflege geführt; Pflegestellen wurden abgebaut, Ausbildungskapazitäten reduziert.

München ist vom Pflege-Notstand besonders stark betroffen: in den Akutkliniken, Kinderkliniken und in der Altenpflege

Hohe Lebenshaltungskosten, die zunehmende Überbelastung, ständige Überstunden sowie die unterfinanzierte Ausbildung haben dazu geführt, dass Pflegekräfte kündigen, die Arbeitszeit reduzieren und die Ausbildung abbrechen.

Der Fachausschuss Gesundheit, Pflege und Sport des Seniorenbeirats beschäftigt sich intensiv mit dieser Situation und hat dazu einen Antrag an Oberbürgermeister Dieter Reiter und den Münch- ner Stadtrat formuliert. Auch der bayerische Ge- sundheitsminister Klaus Holetschek wurde eingeschaltet. Beide Schreiben wurden vom Plenum des Seniorenbeirats einstimmig verabschiedet.

In dem Antrag an den Oberbürgermeister wird vom Seniorenbeirat gefordert:
  • Maßnahmen gegen den Personalmangel in den Münchner Kliniken, insbesondere in der Pflege, unverzüglich einzuleiten
  • Das Medizinkonzept am Bedarf der Münchner Bevölkerung auszurichten und dabei auch Seniorinnen und Senioren zu berücksichtigen
  • Die Notfallversorgung, die ambulante Versorgung in den wachsenden Außenbezirken der Stadt, die Versorgung von Kindern und Schwangeren, von Seniorinnen und Senioren und von Sterbenden in München zu sichern

Im Schreiben an Gesundheitsminister Holetschek wird ausgeführt: Die Prognose der Entwicklung der Altersstruktur in Deutschland zeigt einen besonders steilen Anstieg. In allen Bereichen, in Kliniken und in Pflegeeinrichtungen fehlt qualifiziertes Pflege- personal.

Mehr Zeit für die Auszubildenden

Generell

  • muss die generalistische Ausbildung von Pflegekräften verbessert werden. Derzeit brechen zirka 30 Prozent der Auszubildenden die Ausbildung vorzeitig ab. Theorie und Realität klaffen häufig weit auseinander und erzeugen einen „Praxisschock“. Die daraus resultierende Überforderung […] sei zu vermeiden. Ausbildern auf den Stationen sei mehr Zeit für die Betreuung der Auszubildenden einzuräumen, das heißt Freistellung der Praxisanleiter*innen auf den Stationen, um dem Bedarf an praktischen Anleitungen der Auszubildenden gerecht zu werden.
  • ist die Beschleunigung der Anerkennung von ausländischen Qualifikationen in allen Gesundheitsberufen dringend notwendig.
  • brauchen Pflegekräfte aus allen Bereichen bezahlbare, möglichst kommunale Wohnungen.
  • ist es notwendig, dass für Menschen aus den Pflegeberufen an deren Arbeitszeiten angepasste Kinderbetreuungseinrichtungen angeboten werden.
  • ist die schnelle Schaffung eines Personalpools für ALLE Pflegeberufe und medizinischen Berufe (Ärzte, Hebammen), für Kliniken, Pflegeheime und andere medizinische Einrichtungen notwendig.

Wir sind gespannt, welche Maßnahmen von den Zuständigen in Stadt und Land in der nächsten Zeit ergriffen werden, um die Situation endlich nachhaltig zu verbessern!