Ehegatten-Vertretungsrecht

Zuständig für dieses Thema ist der
Fachausschuss 10 >>>

Geänderte Regelung zum Jahreswechsel
Neues Vertretungsrecht von Ehegatten

von Waltraud Kröner, Sozialarbeiterin

Die Reform des Betreuungsrechts stärkt das Recht auf Selbstbestimmung aller Bürgerinnen und Bürger und trat zum 1. Januar 2023 in Kraft.

Was geschieht mit mir, wenn ich selbst nicht mehr für mich sorgen kann? Viele Menschen treibt diese Frage um. Der Gesetzgeber begegnet dieser Sorge mit einigen Neuregelungen, die seit Anfang des Jahres gelten, und stellt so die persönlichen Wünsche von betreuten Personen deutlicher in den Mittelpunkt. Zwar waren schon zuvor ehrenamtliche und professionelle Betreuer*innen dazu verpflichtet, nach bestem Wissen im Sinne betreuter Personen zu entscheiden und zu handeln. Nun aber sind sie von Rechts wegen aufgefordert, aktiv die Wünsche ihrer Schützlinge zu erkunden und herauszufinden. Waren bislang keine besonderen Qualifikationen oder beruflichen Voraussetzungen an das Amt einer Betreuerin oder eines Betreuers gestellt, ist auch dies jetzt neu geregelt. Nunmehr muss ein Qualifi- zierungsprozess durchlaufen werden.

Das von der Reform beabsichtigte Umlernen im Umgang mit betreuten Personen dürfte dauern. Ei- nige Neuerungen aber greifen sofort.

Gesundheitliche Notfallsituation – gegen- seitiges Vertretungsrecht von Ehegatten

Im Zuge einer umfangreichen Reform des Betreuungsrechts traten zum Jahreswechsel wichtige Än- derungen in Kraft. Dabei wird für den Bereich der Gesundheitssorge ein Vertretungsrecht von verhei- rateten oder verpartnerten Paaren geregelt. Mit der Neuregelung haben Partner in einer Notfallsituation automatisch die juristische Stellvertretung für diesen abgegrenzten Bereich inne. Das Vertretungsrecht gilt für maximal sechs Monate und nur dann, wenn die Gesundheitssorge noch nicht über eine Vorsorgevollmacht oder eine Betreuungsverfügung geregelt ist.

Bis zum 31. Dezember 2022 waren verheiratete oder verpartnerte Paare nicht automatisch gegenseitig vertretungsberechtigt. Eine Stellvertretung war nur in zwei Fällen möglich:

  1. Es lag eine gültige Vorsorgevollmacht vor, in der die Gesundheitssorge geregelt wurde.
  2. Ein Partner war vom Betreuungsgericht zum rechtlichen Betreuer des anderen Ehegatten be- stellt worden.

Notfallregelung – konkret

Paragraf 1358 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eröffnet einem verheirateten oder verpartnerten Paar seit dem Jahreswechsel ein gegenseitiges Vertretungsrecht für den gesundheitlichen Notfall. Im Sinne dieser Regelung darf eine Ehepartnerin bzw. ein Partner dann tätig werden, wenn der Ehegatte aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls die eigenen Angelegenheiten gegenüber Ärzten, Krankenkassen und Anbietern im Gesundheitswesen nicht alleine oder gar nicht mehr regeln kann.

Für die Dauer von maximal sechs Monaten ist die Ehepartnerin oder der Partner autorisiert, alle Maßnahmen, die rund um die Gesundheit und Pflege des Partners erforderlich sind, rechtswirksam zu regeln.

Dabei ist der (nicht erkrankte) Ehepartner stets verpflichtet, die stellvertretenden Entscheidungen an dem geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Erkrankten auszurichten. Die Notfallregelung ist ausschließlich auf die Gesundheitssorge und auf maximal sechs Monate begrenzt. Sollte über das halbe Jahr hinaus eine juristische Stellvertretung erforderlich sein, muss durch das Betreuungsgericht ein gesetzlicher Betreuer bzw. eine Betreuerin bestellt werden.

Notfallregelung – Voraussetzungen

  1. Die Notfallsituation ist eingetreten.
  2. Das Vertretungsrecht muss einem Arzt bzw. einer Ärztin gegenüber geltend gemacht werden.
  3. Der Arzt oder die Ärztin bestätigen schriftlich, dass die Voraussetzungen der Ehegattenvertretung vorliegen, insbesondere legen sie den Zeitpunkt fest, ab dem das Vertretungsrecht greift.
  4. Die schriftliche ärztliche Bestätigung muss die Voraussetzungen des Ehegattenvertretungsrechts und eventuelle Ausschlussgründe enthalten.
  5. Die vertretende Person bestätigt dem Arzt oder der Ärztin schriftlich, dass ein Vertretungsrecht bisher noch nicht ausgeübt wurde und auch kein Ausschlussgrund vorliegt.
  6. Der Arzt oder die Ärztin muss dieses Schriftstück der vertretenden Person zur weiteren Ausübung des Vertretungsrechts übergeben.
  7. Das Schriftstück ist bei allen Vertretungshand- lungen im Bereich der Gesundheitssorge im Rahmen des Notvertretungsrechts vorzulegen.

Das Antrags-Formular erhalten Sie bei Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin.

Notfallregelung – Rechte

*Ärztliche Auskünfte und Aufklärungen können entgegengenommen werden. Die ärztliche Schweigepflicht ist in dieser Zeit aufgehoben.

*Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe können erlaubt oder abgelehnt werden.

*Behandlungs- und Krankenhausverträge sowie Verträge bezüglich eiliger Rehabilitations- und Pflegemaßnahmen können abgeschlossen werden.

*Geltendmachung und Abtretung von Leistungs- ansprüchen, die der erkrankten Person gegenüber Dritten zustehen, wie etwa Pflegekasse, Krankenkasse oder Sozialamt.

*Über freiheitsentziehende Maßnahmen im Kran- kenhaus oder im Heim kann für die Dauer von maximal sechs Wochen entschieden werden.

Auch so genannte „zusammenhängende“ Handlungen sind der vertretenden Person erlaubt:

*Bei der Pflegekasse kann ein Ein- oder Höherstufungsantrag oder ein Antrag auf andere Leistun- gen, wie etwa Kurzzeitpflege, gestellt werden.

*Bei der Krankenkasse können Leistungen beantragt werden, wie häusliche Krankenpflege oder die Übernahme von Fahrtkosten.

*Leistungen an Pflege- und Entlastungsdienste können abgetreten werden, zum Beispiel der Entlastungsbetrag.

*Ein Heim- oder Pflegevertrag kann wirksam abgeschlossen werden.

*Bei der Beihilfe und dem Sozialamt können Anträge gestellt werden.

Notfallregelung – Ausschlussgründe

*Das Ehe- oder verpartnerte Paar lebt getrennt.

*Der über die Notfallregelung bevollmächtigten Person bzw. dem Arzt oder der Ärztin ist bekannt, dass die erkrankte Person die Vertretung nicht wünscht.

*Es liegt eine gültige Vorsorgevollmacht vor, die den Aufgabenbereich „Gesundheitssorge“ regelt.

*Bevollmächtigt eine vorliegende gültige Vorsor- gevollmacht eine andere Person als die Ehegattin oder den Ehegatten, hat die Ehegattin oder der Ehegatte KEIN Recht, über die Notfallregelung Entscheidungen für die erkrankte Ehepartnerin oder den Ehepartner zu treffen.

*Besteht bereits eine Betreuung für den Aufga- benbereich „Gesundheitssorge“, hat die gesunde Ehegattin oder der gesunde Ehegatte ebenfalls KEIN Recht, über die Notfallregelung Entscheidungen für die erkrankte Person zu treffen.

*Die Notfallregelung endet zwingend nach Ablauf von sechs Monaten. Eine Verlängerung ist nicht möglich.

*Das Vertretungsrecht auf der Grundlage der Not- fallregelung darf ab dem Zeitpunkt der Bestellung eines gesetzlichen Betreuers mit dem Aufgabenbereich „Gesundheitssorge“ nicht mehr ausgeübt werden.

Notfallregelung oder Vorsorgevollmacht?

Die Notfallregelung umfasst nicht alle Lebensbereiche des Ehe- oder verpartnerten Paares. Sie eröffnet nur für die Gesundheitssorge Handlungsmöglichkeiten und ist grundsätzlich auf maximal sechs Monate begrenzt. Eine Vorsorgevollmacht bietet für den Fall einer Erkrankung, eines Unfalls oder zunehmender Gebrechlichkeit die größtmögliche Gestaltungsfreiheit. Sie kann für alle Lebensbereiche, auch über die Gesundheitssorge hinaus, erteilt werden.

Kostenlose Vorsorge-Beratung Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung:

Geschäftsstelle Seniorenbeirat Burgstraße 4, 80331 München
Terminvereinbarung 0176 – 4830 2252
Jeden 4. Dienstag im Monat von 10 bis 13 Uhr

Gesundheitsladen München e.V. Astallerstraße 14, 80339 München
Terminvereinbarung 089- 772565