Mobilitätskongress

Thema Mobilität

Der Seniorenbeirat war auf dem Mobilitätskongress mit einem eigenen Stand vertreten, um seinen Einsatz für die Mobilität der Senior*innen zu demonstrieren.

zuständig für dieses Thema ist der
Fachausschuss 7 >>>

Mobilität der Seniorinnen und Senioren –
sicher, umweltfreundlich und barrierefrei

Sicher draußen unterwegs – wie ist das zu schaffen?


von Dr. Hans Pongratz, Ulrich Gammel, Karola Klein

Die Bevölkerung in unserem München ist sehr vielfältig: Kinder, Schüler, Studenten, Berufstätige aller Altersklassen und nicht zuletzt Senior*innen. Eine Voraussetzung für die Sicherung der Lebensqualität ist die Wahrung der Mobilitätsbedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer, jüngerer und älterer.

Ob Kfz, Rad, Fußverkehr oder ÖPNV – alle Ver- kehrsarten haben ihre Berechtigung. Der vorhandene Raum muss gerecht und rücksichtsvoll verteilt werden. Die Mischung muss dem Bedarf entsprechen und gleichzeitig unser Klima und unsere Umwelt schonen und die Lebensqualität erhalten.

Der Seniorenbeirat steht an Ihrer Seite

Der Seniorenbeirat setzt sich dafür ein, dass alle Seniorinnen und Senioren möglichst lange aktiv un- terwegs sein können. Dazu stellen wir Anträge, füh- ren regelmäßig Gespräche mit dem Mobilitätsrefe- rat und der MVG und vertreten die Interessen der älteren Mitbürger*innen im MVV-Fahrgastbeirat und dem städtischen Beraterkreis für barrierefreies Bauen und Planen.

Betonen möchten wir, dass ein Miteinander, eine Mischung aller Verkehrsarten benötigt wird. Rück- sichtnahme ist dabei besonders wichtig.

Da die erforderliche gegenseitige Rücksicht- nahme oft zu wünschen übriglässt, müssen leider verstärkt klare Regelungen und auch Verbote ge- schaffen werden, deren Einhaltung dann auch kon- sequent kontrolliert werden muss!

Besondere Bedürfnisse von Seniorinnen und Senioren

  • Mit dem Auto

Verkehrsberuhigung und weniger Autos, insbeson- dere in der Innenstadt, das sind Anliegen über Ge- nerationen hinweg. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass ältere sowie Menschen mit Behinderung häufig auf die Nutzung von Kfz ange- wiesen sind, die entsprechende Abstellmöglichkeiten benötigen. So können stark gehbehinderte  Menschen  Probleme bei Arzt- und Apothekenbesuchen, Einkäufen und leider auch beim Besuch medizinischer Einrichtungen bekommen, wenn die Parkmöglichkeit fehlt. Um die Nutzung solch lebenswichtiger Stützpunkte für den genannten Kreis zu ermöglichen, sollte es Ausnahmeregelungen unter anderem für das Be- fahren von Fußgängerzonen geben. Durch eine ge- änderte Verkehrsführung und zahlreiche Baustellen wird der Verkehrsfluss stark behindert, was auch zu hohen Abgasbelastungen führt, die bei optimierter Planung auf ein Minimum reduziert werden könnten.

  • Mit dem Fahrrad

Viele umweltbewusste, fitte Senior*innen nutzen für bestimmte Fahrten statt eines Pkws inzwischen ihr Rad, E-Bike oder Pedelec. Eine durchdachte Radwegführung trägt dazu bei, dass sie sich sicher auf zwei Rädern in der Stadt bewegen können. Stellen, an denen es zu Kollisionen mit Fußgängern, Rollstühlen oder Rollatoren kommen kann, sind zu entschärfen, insbesondere an Haltestellen und Übergängen. Andererseits muss es eine klare, möglichst physische, Abgrenzung zum Autoverkehr geben. Bei der Breite von Fahrrad- und Fußgängerwegen muss bei Berücksichtigung der örtlichen Situation ein optimales Verhältnis gesucht werden. Das Schaffen von Abstellplätzen muss mit der erfreulichen Zunahme des Radverkehrs unbedingt Schritt halten. In Neubaugebieten wie Neufreimann könnten dies feste Quoten pro Wohneinheit garantieren. Aber auch der Einzelne kann viel zur Verkehrssicherheit beitragen, wenn er an einem Training zur Beherrschung insbesondere von E-Bike und Pedelec teilnimmt.

  • E-Scooter

Der Seniorenbeirat hat 2022 ein 8-Punkte-Papier formuliert und zum Ausdruck gebracht, dass er E- Tretroller nicht für einen positiven Beitrag zur Mobilitätswende hält. Sie sind aus Sicht des Seniorenbeirates überflüssig und stellen, besonders für ältere Menschen, eine erhebliche Gefahr dar.

In dieser Einschätzung sieht sich der Seniorenbeirat bestätigt durch eine Stellungnahme des Umweltbundesamtes (UBA) vom 27. Oktober 2021:

„Als Leihfahrzeug in Innenstädten, wo ÖPNV- Netze gut ausgebaut und die kurzen Wege gut per Fuß und Fahrrad zurückzulegen sind, bringen die Roller eher Nachteile für die Umwelt – und drohen als zusätzlicher Nutzer der bereits unzureichend ausgebauten Infrastruktur das Zufußgehen und Fahrradfahren unattraktiver zu machen. In der Ökobilanz sind E-Scooter deutlich besser als das Auto. Aber gegenüber dem bewährten Fahrrad, mit dem sich Strecken ebenso schnell bewältigen lassen und Gepäck besser transportieren lässt, wären E-Scooter die deutlich umweltschädlichere Variante und daher keine gute Alternative.“

Anders beurteilt das UBA die Situation in den Außenbezirken: „Hier kann es durchaus sinnvoll sein, die möglicherweise zu lange Strecke zur Bahn schnell mit dem E-Scooter anstatt mit dem Auto zu überbrücken.“

Derzeit befasst sich der Fachausschuss 7 des Seniorenbeirats, Öffentlicher Raum, mit der Antwort des Mobilitätsreferates, um hoffentlich bald Lösungen im Sinne älterer und mobilitätseingeschränkter Menschen herbeiführen zu können.

  • Fußverkehr Querungen

Begrüßenswert ist, dass diese Verkehrsart im Rahmen der Mobilitätsstrategie 2035 – Teilstrategie Fußverkehr – endlich die gebührende Anerkennung erfährt. In Kombination mit dem ÖPNV ist sie die Verkehrsart mit dem geringsten Flächenverbrauch. Fußgänger*innen, einschließlich der Rollstuhl- und Rollatornutzer*innen, zählen zu den schwächsten Verkehrsteilnehmern und haben fast keine Lobby. Dabei machen gerade viele Senior*innen und Senioren, und dazu zählen auch Großeltern mit Kin- derwagen, bei alltäglichen Einkäufen und Spaziergängen im Park schlimme Erfahrungen mit der Rücksichtslosigkeit anderer.

In seiner Stellungnahme zum  Teilstrategie-Teilziel „barrierefreie Querungen“ hat der Seniorenbeirat insbesondere auf die Probleme der stetig zunehmenden Anzahl von Benutzer*innen von Rollatoren hingewiesen. Rollstühle und Rollatoren können den an Querungen vorgesehenen Abstich von drei Zentimetern nur mit Mühe überwinden. Hier bedarf es insbesondere an Übergängen mit hohem Aufkommen, zum Beispiel in der Nähe von Seniorenwohnanlagen, einer zeitnahen Umgestaltung in Form einer  „getrennten  Querung“. Ein Beispiel für eine solche Querung gibt es bereits an der Schwanthalerstraße in Höhe von Hausnummer 74. Diese vorbildliche Anlage sollte dringend im gesamten Stadtgebiet umgesetzt werden.

Zudem sieht eine gelungene Radwegplanung stets ausreichend sichere Querungsstellen für den Fußgängerverkehr vor.

Die zur Fußgängerquerung des „Höllenschlunds“ andiskutierte Brücke am Oskar-von-Miller-Ring wurde vom Baureferat der LHM vor einigen Jahren wegen der notwendigen langen Anfahrtsrampe verworfen. Dass Straßenüberbrückungen verschiedenster Art jedoch möglich sind, zeigen die Brückenrestaurants (Pavesi) über den italienischen Autobahnen und auch die Baubehelfsüberbrückung zum Beispiel an der Baustelle der Neuen Pinakothek an der Theresienstraße. Für die Seniorinnen und Senioren sind Aufzüge auf beiden Seiten notwendig!

  • Probleme mit zweckentfremdeten Gehwegen Es muss dringend eine Lösung für das Problem des Gehweg-Parkens gefunden werden. Abgestellte Pkws und Lkws blockieren die Gehwege häufig so, dass Menschen mit Rollatoren und Rollstühlen, aber auch Kinderwagen, nicht mehr vorbeikommen.

Diese Probleme werden sich aber nur mit zurückhaltenden Genehmigungen von Schanigärten und einer Neukonzeption der Anlieferungspraxis von Paketzustelldiensten lösen lassen. Ein weiteres Dauerproblem stellt die – häufig unzulässige – Mitnutzung der Bürgersteige durch Radfahrer, E-Tretroller und anderen lauten oder leisen Fahrgeräten dar, die Fußgänger erschrecken und behindern. Wer hier gedankenlos Räder und Roller abstellt, bedenkt nicht, welch hohe Sturzgefahr von diesen Stolperfallen für ältere Menschen und besonders für Sehbehinderte und Blinde ausgeht.

Lebensbedrohlich für ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger können Radwege sein, die an Bushaltestellen vorüberführen. Radfahrer wollen schnell vorwärtskommen, bremsen ungern und rechnen hier nicht mit plötzlich auftauchenden anderen Verkehrsteilnehmern. Natürlich fordert die Straßenverkehrsordnung ein anderes, rücksichtsvolleres Verhalten, das aber wohl nur mit konsequenten Kontrollen gefördert werden kann.

Hohe Risiken bergen Querungen von Radwegen, die zwischen dem Gehweg und der Kfz-Fahrbahn verlaufen. Meist sind am Übergang von der Fahrbahn zum Radweg nur schmale Stehflächen vorhanden. Da Radfahrer häufig nicht wahrnehmen, dass der Kfz-Verkehr anhält, kommt es zumindest zu Beinahe-Kollisionen mit den querenden Fußgängern (Rollatoren und Rollstühle inbegriffen). Hier ist die Aufstellung von Fahrradampeln geboten.

Die aus Sicherheitsgründen dringend gebotene Trennung von Rad- und Gehwegen wurde vom Mobilitätsreferat grundsätzlich bestätigt. Ausnahmen lassen sich aber nicht vermeiden, wo die Wege zu schmal sind und keine Trennung möglich ist. Dies darf jedoch nur zulässig sein, wo es keine andere Lösung gibt. Eine Umwandlung eines Gehweges in einen kombinierten Rad-/Gehweg sollte möglichst vermieden und nicht aktiv betrieben werden, insbesondere nicht in Parks und wenig befahrenen Straßen, zum Beispiel in Tempo-30-Zonen.

Gehwege werden häufig zweckentfremdet durch das Aufstellen permanenter oder temporärer Schilder, Parkscheinautomaten und Ladesäulen sowie eine zum Teil überbordende Außengastronomie. Auch Baustellen mit dem schönen Zeichen „Fußgänger andere Straßenseite“ sind für Senior*innen häufig mit unüberwindbaren Behinderungen verbunden. So ist es oft nicht möglich, mit Rollatoren oder gar mit Rollstühlen zwischen den parkenden Autos zur anderen Straßenseite gefahrlos zu gelangen. Oder was tun, wenn dort auf der anderen Straßenseite ebenfalls eine Baustelle den Gehweg unpassierbar macht? Eine Kernforderung des Seniorenbeirates ist daher: freie Gehwege!

Park- und Abstellflächen sollten nicht nur für Autos, Fahrräder, Lastenfahrräder und sonstige Transportmittel bereitgestellt werden, sondern selbstverständlich auch für Rollatoren, Rollstühle und Kinderwagen. Auch dafür werden wir uns im Sinne der älteren Generation verstärkt einsetzen!

  • Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)

Die verstärkte Nutzung des ÖPNV ist ein soziales und ökologisches Gebot der Stunde! Gerade Senior*innen wird es in München jedoch nicht immer leicht gemacht, Tram, Bus, S- und U-Bahnen zu nutzen. Eine durchgängige Barrierefreiheit ist leider nicht gegeben.

Besonders der Einstieg mit Rollator in Bus und Tram gestaltet sich immer wieder zum Kraftakt und erweist sich als echte Stolperschwelle. Tram-Hublifte dürfen von Rollatoren nicht genutzt werden. Die MVG hat das Problem mittlerweile erkannt und einzelne Trambahnhaltestellen erhöht. Die Nachrüstung geht jedoch nur langsam voran – bisher gibt es erst drei dieser Bahnsteige.

Älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die die U-Bahn nutzen, fällt das lange Warten, bis die Rolltreppe in den Umkehrmodus kommen kann, sehr schwer. Hier könnten ein verstärkter Ausbau beider Rolltreppen-Richtungen und funktionierende Auf- züge das Problem entschärfen. Der Seniorenbeirat erwartet, dass es in absehbarer Zeit zumindest eine – derzeit wohl in der Prüfungsphase befindliche – Anforderungslösung geben wird.

Lange Treppen in der U-Bahn sind für mobilitätseingeschränkte Senior*innen ein schwer zu überwindendes Hindernis. Wenn sie mit Rollator oder Rollstuhl unterwegs sind, sind sie ausnahmslos auf Aufzüge angewiesen. Alle kennen das Problem kurzfristig ausfallender Aufzüge und das Warten auf die Reparatur. Hier stellen wir deutlichen Verbesserungsbedarf fest! Die Information bei Aufzugausfall muss unter anderem durch Durchsagen und Hinweise auf Ausweichmöglichkeiten verbessert und möglichst standardisiert werden. Noch schlimmer wird es, wenn der Aufzug wegen Renovierung langfristig außer Betrieb ist. Dass es auch anders geht, zeigt die Situation am U-Bahnhof Kieferngarten. Hier konnte durch den Hinweis eines Anwohners mit Unterstützung der Seniorenvertretung eine Alternative gefunden werden. Durch die besondere Situation am Kieferngarten – vier statt nur zwei Gleise – konnte der Zug stadtauswärts umgeleitet und der weiter in Betrieb befindliche Aufzug genutzt werden. Der Seniorenbeirat hat von der MVG die generelle Prüfung und Bereitstellung einer Alternative bei geplanten Ausfällen (Renovierungen) bzw. absehbar langfristigem Ausfall gefordert und daraufhin die Etablierung eines Qualitätssicherungs-Teams bei zukünftigen Sanierungen zugesichert erhalten.

Barrierefrei müssen nicht nur die Verkehrsmittel, sondern auch der Erwerb von Fahrscheinen sein. So hat sich der Seniorenbeirat dafür eingesetzt, dass es das Deutschlandticket nicht – wie ursprünglich geplant – nur als App, sondern zumindest auch als Chipkarte gibt. Und das nicht nur online, sondern unter anderem auch in MVG-Zentren. Zudem haben wir vereinbart, die Menüführung bei den Automaten gemeinsam mit der MVG auf Nutzerfreundlichkeit zu testen.

  • Toiletten

Egal ob jung oder alt, alle müssen mal! Das ist eine Tatsache. Aber gibt es für uns auch immer, wenn es mal wieder „soweit ist“, die Möglichkeit auch „zu können“? Die Einschränkung der Mobilität speziell für ältere Mitbürger*innen besteht auch im Mangel an genügend sauberen, wirklich benutzbaren und bar- rierefreien öffentlichen Toiletten sowie eine oft un- verständliche Ausschilderung, um diese zu finden. Hier ist die Stadt München gefordert, den Ausbau der Toiletten in München barrierefrei zu forcieren. Für Feste auf dem Königsplatz werden beispielsweise häufig Toiletten aufgestellt. Es sollte geprüft werden, ob man diese hier und an anderen Orten nicht für Einheimische und Touristen stehen lassen kann.

Dazu kommt das Toilettenproblem im Zuständigkeitsbereich der MVG. Teilweise sind Toiletten seit Jahren nicht nutzbar (beispielsweise U-Bahnstation Josephsplatz seit 2019!) wegen geplanter und nicht erfolgter Renovierung. Dieses Übel wurde vom Seniorenbeirat bei der MVG angesprochen. Der Seniorenbeirat erwartet baldige Fortschritte.

  • Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum

Sehr wichtig für Seniorinnen und Senioren für die Überwindung kürzerer oder längerer Strecken zum Supermarkt, Arzt, zur U-Bahn, Tram und zum Bus ist die Möglichkeit, eine Pause einlegen zu können. Ausreichend Sitzbänke in der Stadt – unbedingt mit Rückenlehne – sind daher ein MUSS.

Zudem müssen Inseln mit Bänken und Bäumen geschaffen werden, die nicht nur zum Ausruhen, sondern auch zur Kommunikation einladen. Eine künstlerische Gestaltung ist durchaus wünschenswert, aber sie muss diesen Bedürfnissen gerecht werden. Wichtig ist z. B. ein richtiger Bodenbelag, der ein Aufheizen an sonnigen Tagen und eine Rutschgefahr bei herabfallendem Laub im Herbst verhindert.